Allgemeines
Die drehenden Räder eines fahrenden Motorrades
wirken physikalisch als Kreisel, die das Bestreben haben, die räumliche Lage
ihrer Drehachse stabil beizubehalten. Ein ausreichend schnell drehendes,
freilaufendes Rad wird also nicht umfallen.
Tritt eine Störung dieser stabilen Lage auf, vollzieht das Rad ausweichende
Bewegungen, die nicht in die Richtung der Störung weisen: Diese
Ausweichbewegungen sind Drehungen um eine Achse, die senkrecht auf der
Rotationsachse des Rades und senkrecht auf der Achse der aufgezwungenen
Drehbewegung steht.
Diese Erscheinung wird Kreiselpräzession genannt.
Für den Motorradfahrer bedeutet das in der Praxis:
Wenn der Lenker bei Geschwindigkeiten über ca. 25 km/h nach links eingeschlagen
wird, neigt sich das drehende Vorderrad zusammen mit dem gesamten Motorrad nach
rechts. Diese Zusammenhänge gelten natürlich auch umgekehrt: Wenn der Lenker
nach rechts eingeschlagen wird, neigt sich das Motorrad nach links.
Zur Verständlichmachung dieser Zusammenhänge wird in der
Physik die sogenannte "Rechte-Hand-Regel" genutzt. Entsprechend der
Darstellung werden die Finger der rechten Hand so gespreizt, dass sie die drei
räumlichen Achsen 1, 2 und 3 aufspannen. Dem Daumen entspricht dabei die
Drehachse des Vorderrades (1), dem Zeigefinger entspricht die eingeleitete
Drehung am Lenker (2), und dem Mittelfinger entspricht die bewirkte Drehung des
Motorrades um die Längsachse in die Schräglage (3). Die Drehpfeile an den
Achsen stellen die angenommene Drehrichtung dar. Bei Umkehrung der Drehrichtung
wird die Hand so gedreht, dass der jeweilige Finger in die umgekehrte Richtung
weist.
Wer sich die verschiedenen Zusammenhänge mittels der
"Recht-Hand-Regel" verdeutlicht, wird feststellen, dass die durch
einen Lenkimpuls eingeleitete Schräglagenänderung ihrerseits dem Lenkimpuls
entgegen wirkt. Störungen, die auf ein rotierendes Rad einwirken, werden also
bis zu einem gewissen Grad ausgeglichen.
Die Kreiselpräzession sorgt also dafür, dass sich das Motorrad, das durch eine
äußere Störung in leichte Schräglage gebracht wird, automatisch wieder
aufrichtet. Zwei Effekte tragen zur Aufrichtung der Maschine bei:
- Die Schräglage führt zu einer Kurvenfahrt. Die Fliehkraft, die durch die
angedeutete Kurvenfahrt in Schräglage entsteht, richten das Motorrad auf.
- Die Reibungskraft am Vorderreifen greift durch die Schräglage nicht mehr
mittig an, sondern wandert mit dem Reifenaufstandspunkt zur Innenseite der
angedeuteten Kurven. Der Versatz der Vortriebskraft und der Reibungskraft
erzeugen eine Lenkerdrehung in die Kurvenrichtung. Das aber führt wie oben
erläutert zu einer Neigung in die der Schräglage entgegengesetzten Richtung.
Je schneller die Räder drehen, und je größer ihre Trägheitsmomente sind,
desto größer ist der Drehimpuls, der das Fahrzeug stabilisiert. Ein Roller mit
kleinen Rädern fährt sich daher etwas nervöser, aber handlicher als ein
Motorrad mit großen, schweren Rädern.
Die Fahrstabilität nimmt jedoch nicht unbegrenzt mit der Geschwindigkeit zu.
Bei hohen bis sehr hohen Geschwindigkeiten nehmen Störeinflüsse auf die
Fahrstabilität zu, was je nach Fahrwerksauslegung, Wartungszustand,
Fahrbahnbelag und Beladung zu verschiedenen unangenehmen Schwingungserscheinungen
führen kann (Flattern, Lenkerschlagen und Pendeln.)
Kurvenfahrt
Wie bereits im Abschnitt über die Selbststabilisierung
erklärt wurde, neigt sich ein Rad, das nach links gelenkt wird, auf Grund der
Kreiselpräzession nach rechts. Wer diese Lenkimpulstechnik - so wird dieser
Trick mit dem Gegenlenken genannt - bei Geschwindigkeiten über ca. 40 km/h
ausprobiert, wird schnell feststellen, dass sich je nach dem, wie abrupt der
Lenker bewegt wird, das Motorrad mühelos und schnell von einer Schräglage in
die andere bringen lässt. Eine Gewichtsverlagerung ist allenfalls zur
Stabilisierung der Schräglage notwendig.
Die Erzeugung der Schräglage durch den Lenkimpuls wirkt zunächst als Störung
der Fahrstabilität. Deswegen wird sich beim Übergang zur stabilen Kurvenfahrt
der Lenker kurzzeitig und fast nicht spürbar in die Kurvenrichtung drehen.
Dadurch richtet sich die Maschine wieder leicht auf. Der Fahrer hält deswegen,
um die Schräglage sauber einzuhalten, den Lenker in der entsprechenden Position
fest oder korrigiert leicht die Neigung der Maschine.
Die Kurvenschräglage ist ein unter Motorradfahrern und -
Fahrerinnen ewig diskutiertes Thema, da sie auch als Gradmesser für die
Kurvengeschwindigkeit und die Verwegenheit des Fahrers herangezogen wird.
Die erforderliche Schräglage ist abhängig von
- Kurvenradius
- Geschwindigkeit
- Schwerpunkthöhe und Reifenbreite
Sie ist unabhängig vom Gewicht der Maschine. Eine Maschine mit niedrigem
Schwerpunkt und breiten Reifen, wie z.B. ein Roller oder ein Sportmotorrad,
muss stärker geneigt werden als z.B. eine Enduro mit hohem Schwerpunkt und
schmalen Reifen (siehe auch Schwerpunktlage).
Die maximal mögliche Schräglage wird bei den meisten Motorrädern mit
entsprechenden Reifen durch aufsetzende Bauteile begrenzt, d.h. die Reifen
übertragen im allgemeinen bei stationärer Kurvenfahrt mit konstanter
Geschwindigkeit auf trockenem und griffigem Untergrund (Reibwert = 1)
Seitenkräfte, die höher sind als die maximal "fahrbare"
Zentrifugalkraft. Beim Aufsetzen von Bauteilen entstehen vielfach
Kräfteschwankungen an der Reifenaufstandsfläche, die die übertragbaren
Zentrifugalkräfte reduzieren.
Übersteigen die Zentrifugalkräfte die Seitenführungskräfte der Reifen ist das
nicht reguläre, tangentiale Verlassen der Kurve vorprogrammiert.
Dies bedeutet für die Fahrpraxis, dass bei aller Freude an der Kurvenfahrt eine
Schräglagenreserve für Kurskorrekturen in der Kurve bereitgehalten werden
sollten.
Durch zusätzliche Beladung sowie durch die Mitnahme eines Beifahrers wird
generell der Schwerpunkt angehoben, bei leichten Zweirädern (Moped) stärker als
bei schweren. Trotz der somit geringeren erforderlichen Schräglage kann ein
beladenes Zweirad eher aufsetzen, da es stärker einfedert und die
entsprechenden, aufsetzenden Anbauteile niedriger liegen.
Leichte Motorräder und solche mit niedriger Schwerpunkthöhe sind einfacher zu
schwenken. Entscheidend ist vor allem die Größe des Massenträgheitsmoments um
die Rollachse (Längsachse). Aber auch das Massenträgheitsmoment um die
Lenkachse hat deutlichen Einfluss auf die Handlichkeit. Deshalb werden bei
immer mehr Maschinen Armaturen, Spiegel usw. rahmenfest montiert.
Eine untergeordnete Rolle spielt auch die Lage der drehenden Kurbelwelle,
die ebenso wie die Räder als Kreisel wirkt. Im Allgemeinen sind Maschinen mit
längsliegender Kurbelwelle bei sonst gleichen Bedingungen handlicher als solche
mit querliegender.
Lenkerflattern
Beim Lenkerflattern oder einfach Flattern (auch
"shimmy" oder "wobble") beginnt das Lenksystem, also Gabel,
Vorderrad und Lenker, um die Lenkkopfachse zu schwingen. Die Schwingfrequenz
beträgt sieben bis zehn Vollausschläge pro Sekunde. Die flatterkritische
Geschwindigkeit liegt zwischen 40 bis 80 km/h. Im allgemeinen regen Störungen
kontinuierlich oder nur einmalig das Lenksystem in dessen Eigenfrequenz an. Die
Dämpfung des Schwingungssystems ist dann minimal.
Die Ursachen für dieses Lenkerflattern können sehr vielfältig sein. Sie reichen
von Radunwucht über ein ungenau eingestelltes Lenkkopflager (meist zu großes
Lagerspiel) bis zu einer verspannten Vorderradgabel.
Beste Abhilfe bei akutem Lenkerflattern ist das bewusste Anpacken der
Lenkerenden und eine Änderung der Geschwindigkeit.
Bei ausgeprägter Flatterneigung des Motorrads hilft häufig ein genaues
Auswuchten des Vorderrads bzw. eine genaue Prüfung und Einstellung von
Lenkkopflager und Gabel. Notfalls muß der Reifen gewechselt werden. Kalte
Reifen, falscher Reifendruck sowie Hecklastigkeit des Motorrads (Topcase,
Packtaschen) unterstützen ebenfalls die Flatterneigung.
Die Cagiva Mito hat zum Beispiel einen Lenkungsdämpfer, bei dem das
Lenkerflattern fast ganz ausgeschaltet wird. Aber der Dämpfer kann die Ursache
des Lenkerflatterns natürlich nicht beseitigen.
Lenkerschlagen
Lenkerschlagen (auch "kick back") ist aktuell ins
Bewusstsein vor allem von Fahrern sportlicher Straßenmaschinen geraten. Ursache
dafür ist das häufige, intensive Auftreten des Lenkerschlagens überwiegend bei
leichten, stark motorisierten Sportlern.
Beim starken Beschleunigen vor allem auf und über Bodenunebenheiten - aber auch
beim starken Beschleunigen aus engen Kurven - wird das Vorderrad durch das hohe
Drehmoment, das der Motor abgibt, mehr oder minder stark entlastet. Vielfach
hebt das Vorderrad ab.
Beim Wiederbelasten des Vorderrades geschieht dies meist
nicht in der Reifenmitte und nicht mit geradestehendem Lenker. Durch den
plötzlichen, außermittigen Angriff der Reibungskräfte am Reifen wird die schräg
stehende Lenkung schlagartig gedreht (häufig ein bis zwei vollständige
Ausschläge bis zu den Lenkeranschlägen). Die dabei auftretenden Kräfte können
je nach Lenkerbreite vom Fahrer nicht mehr abgefangen werden, zumal diese
Erscheinung vielfach unerwartet auftritt.
Beeinflußt wird die Intensität des Lenkerschlagens und Anfälligkeit für die
Erscheinung von folgenden Faktoren:
- stärke des Lenkereinschlages beim Wiederaufsetzen des Vorderrades
- Fahrzeuggewicht, Gewichtsverteilung zwischen Vorderrad und Hinterrad,
Verhältnis zwischen Gewicht und Leistung.
- Reifenbreite: Je breiter der Reifen, um so länger ist der Hebelarm, über den
die Reibungskräfte wirken können.
- Reifenaufbau
- Massenträgheitsmoment der Lenkung um die Lenkachse: Je höher dieses
Trägheitsmoment ist, um so schwerer ist der Lenkerausschlag kontrollierbar.
- stabilisierende Kreiselkräfte: sind diese gering, ist das Kreiselsystem des
Vorderrades anfälliger für Störungen
Abgesehen von zurückhaltender Fahrweise auf entsprechendem Untergrund kann ein
optimal abgestimmter Lenkungsdämpfer die vehementen Auswirkungen auf die
Lenkung dämpfen.
Pendeln
Gefährlicher als das Flattern ist das Pendeln (auch
"weave"). Es tritt erst oberhalb von 120 km/h und speziell im
Hochgeschwindigkeitsbereich auf.
Pendeln stellt eine sehr komplexe, gekoppelte Schwingungsform dar, bei der
Motorradvorderbau (gesamtes Lenkersystem) und der Hinterbau (übrige
Rahmenteile) wegen geringer Dämpfung in Resonanzschwingungen geraten.
Das Motorrad vollzieht beim Pendeln Schräglagenwechsel, Lenkschwingungen und
Querversatzbewegungen (Gierbewegungen) über der Fahrbahn. Pendeln läuft mit
drei bis vier Schwingungen pro Sekunde ab. Das ist zu schnell für ein bewusstes
Gegenlenken. Einzig sinnvolle Gegenmaßnahme ist eine sofortige Verminderung der
Geschwindigkeit , keinesfalls aber ein weiteres Beschleunigen.
Die akuten Auslöser für die Pendelerscheinungen sind sehr vielfältig. Aus
diesem Grund und wegen der Gefahr, die von dieser Erscheinung unmittelbar
ausgeht, müssen die technischen Ursachen möglichst präzise geklärt und
beseitigt werden.
Dies wird um so schwieriger , je anfälliger das Motorradfahrwerk auf
Pendelerscheinungen reagiert. Moderne Motorradfahrwerke werden in jüngerer Zeit
vermehrt resistent gegen die Pendelneigung ausgelegt. Deswegen ist vor allem
bei älteren Motorrädern mit technischen Mängeln (z.B. abgenutzte Fahrwerklager)
mit Pendelerscheinungen zu rechnen.
Ursachen dafür können neben Wartungsmängeln (Reifen, Lenkung, Rad- und
Schwingenlager, Stoßdämpfer) auch falsche Beladung und falscher Reifenluftdruck
sein. Positiven Einfluss auf die Pendelstabilität haben außerdem geringe Massen
um die Lenkachse.
Nachstehend einige Tipps zur Vermeidung des Pendelns
1. Reifen:
- nur vom Hersteller empfohlene Reifenpaarungen verwenden
- auf richtigen Luftdruck achten
- Restprofiltiefe mindestens 2 mm
- Seiten- und Höhenschlag der Reifen kontrollieren, bzw. beseitigen
2. Fahrwerk:
- Lenkkopflager auf Spiel oder Schwergängigkeit prüfen
- Schwingen- und Radlager auf Spiel prüfen
- Radspur (besonders nach dem Spannen der Kette) kontrollieren
- Federbeine entsprechend der Zuladung einstellen (Federspannung/
Zugstufendämpfung)
- Lenkungsdämpfer auf schwächste Stufe einstellen (bzw. demontieren)
- keine lenkerfeste Verkleidung anbauen
- Stoßdämpfer auf Undichtigkeit überprüfen
3. FahrerIn:
- Füße nicht auf Soziusrasten stellen
- Tank- und Fahrerrucksack benutzen anstelle von Topcase oder Packtaschen
- nicht über Fahrbahnmarkierungen, Längsfräsungen, Dehnfugen und ähnliche
Fahrbahnunebenheiten fahren, bzw. Geschwindigkeit verringern
- Lenker locker fassen, abrupte Lenkbewegungen vermeiden
- mit Hinterradbremse verzögern.
- Beifahrer verringert die Pendelneigung
Fahrstabilität
Die kritische Grenze für die Stabilität
eines Motorrades liegt bei einer Geschwindigkeit von 30 km/h. Bei
Geschwindigkeiten über diesem Bereich spricht man vom stabilen Bereich, fährt
man langsamer, ist man im sogenannten Kenterbereich. Zu berücksichtigen ist
dabei auch der Schwerpunkt der Maschine; je tiefer er liegt, desto besser wird
die Fahrstabilität.
Im stabilen Bereich stabilisiert die Rotationsenergie der Räder das Motorrad.
Rotierende Massen verfügen über ein sogenanntes Trägheitsmoment. Die Räder
gewinnen in Abhängigkeit von diesem Trägheitsmoment und der Umdrehungszahl
(=Fahrgeschwindigkeit) an Rotationsenergie. Aufrecht rotierende Räder
widersetzen sich einer Kippbewegung. Je grösser die Rotationsenergie ist, desto
träger reagiert das Motorrad auf Auslenkungsbewegungen um die Lenkachse - umso
stabiler fährt das Motorrad geradeaus. Kleine leichte Räder machen das Motorrad
handlicher, grosse schwere Räder führen zu stabilem Geradeauslauf.
Motorräder verfügen über ein sogenanntes Eigenlenkverhalten. Dieses entsteht
durch das Zusammenspiel von Nachlauf und Lenkkopfwinkel. Im Kenterbereich wird
das Motorrad von der Fahrwerksgeometrie unterstützt, daher gilt: das
Eigenlenkverhalten ist umso träger, je länger Nachlauf und Radstand sind und je
geringer der Lenkkopfwinkel ist. Eine absolut gerade Fahrt gibt es nicht, denn
Fahrzeug und Lenker fahren zur Stabilisierung permanent eine Schlangenlinie,
dies um die störenden Einflüsse während der Fahrt mit einem Auspendeln um die
Schwerpunktachse der Maschine auszugleichen. Fazit: Je höher die
Geschwindigkeit, desto grösser die Lenkkräfte, desto weiter weg ist man vom
Kenterbereich.
Fahrwerksschwingungen
Die beiden berüchtigsten
Fahrwerksschwingungen sind das Pendeln und das Flattern. Das Pendeln resultiert
aus Bewegungen von Lenksystem und Fahrwerk, welche das gesamte Fahrzeug plus
Fahrer erfassen. Das Pendeln tritt erst bei Geschwindigkeiten über 140 km/h auf
und führt zu 3 Schwingungsausschlägen pro Sekunde nach jeder Seite (= 3 Hertz,
niederfrequent). Angeregt wird es durch Unebenheiten im Strassenbelag und es
kann zusätzlich durch Fahrwerkinstabilitäten begünstigt werden. Bereits bei
ersten Anzeichen eines Pendeln muss sofort die Geschwindigkeit reduziert
werden, da das Pendeln nur sehr schwer wieder unter Kontrolle zu bringen ist.
Gefährlich ist das Pendeln auch bei Kurvenfahrt, weil die Maschine nicht mehr
auf Kurs gehalten werden kann.
Das Flattern tritt bei Geschwindigkeiten von 40-90 km/h auf. Es handelt sich um
eine Resonanz des Vorderradsystems mit 9 Ausschlägen pro Sekunde nach jeder
Seite (= 9 Hertz, hochfrequent). Das Flattern lässt sich einfach bekämpfen; man
braucht lediglich den Lenker gut festzuhalten oder sofort auf die Bremse gehen.
Beschleunigen kann den Flattereffekt verstärken!
Flattern und Pendeln sind
Eigenschwingungen des Motorrades, nicht jedoch das sogenannte Kick-back
(Lenkerschlagen). Die Gabel schlägt dabei samt Vorderrad und Lenker um die
Lenkachse. Hebt der Vorderreifen von der Strasse ab und setzt anschliessend
wieder schräg auf, wird der Kick-back Effekt ausgelöst. In der Praxis passiert
dies bei schnellem Beschleunigen aus Kurven oder beim Überfahren von
Bodenwellen. Beim Aufsetzen des Vorderrades bauen sich dann seitliche
Führungskräfte auf, welche der Fahrer als Rucken oder kräftigen Schlag am
Lenker spürt. Gefährlich wird's jedoch erst dann, wenn mehrere Bodenwellen mit
hohem Tempo überfahren werden und der Lenker mit bis zu 14 Ausschlägen pro
Sekunde (= 14 Hertz, hochfrequent) von Lenkanschlag zu Lenkanschlag springt.
Die Kräfte, welche sich dadurch auf dem Lenker aufbauen, sind auch durch festes
Halten nicht mehr unter Kontrolle zu bringen. Um den Kick-back Effekt zu
vermeiden, sollte man die Last auf dem Vorderrad erhöhen, z. B. durch
Einsatz eines Tankrucksackes. Vom Händler auch regelmässig den Lenkungsdämpfer
kontrollieren lassen.
Schwerpunkt
Der Schwerpunkt hat massgebenden Einfluss
auf das Verhalten des Bikes beim Beschleunigen und Abbremsen. Wird die
Vorderbremse stark gezogen, taucht die Front in die Gabel ein und der
Schwerpunkt geht, aufgrund der Gewichtsverlagerung nach vorne, mit dem
aufsteigenden Heck in die Höhe. Den gleichen Effekt hat auch die Verkürzung des
Radstandes durch das Zusammendrücken der Vorderfedern. Wird nur die
Hinterbremse betätigt, tauchen die Frontabsorber ein und es gibt einen
Gewichtstransfer zur Front hin. Zusätzlich taucht das Heck in die hinteren
Absorber ein, der Radstand verlängert sich und der Schwerpunkt geht tiefer.
Damit wird zwar das Eintauchen nach vorne ausgeglichen, trotzdem kommt es zum
Gewichtstransfer und das Heck wird leichter - die Hinterradbremse verliert an
Wirkung.
Durch Abbremsen und Beschleunigen des Bikes verändert sich auch die
Gewichtsverteilung, dementsprechend werden die Reifen stark oder weniger stark
belastet. Die Bodenhaftung (Traktion) eines Reifens verhält sich proportional
zum Gewicht, welches auf ihn wirkt. Bei einer Bremsung gewinnt der Vorderreifen
an Traktion, während der hintere an Haftung verliert. Beim erhöhten Schwerpunkt
lastet mehr Gewicht auf dem Vorderreifen - ist das Verhältnis zwischen
Schwerpunkthöhe und Radabstand 1:2 gibt es einen "Stoppie" (Hinterrad
hebt ab, da es durch den Gewichtstransfer so stark entlastet wird, dass eine
negative Kraft auf den Boden entsteht).
Reifenbreite
Motorradreifen sind High-Tech Produkte;
sie stellen den Kontakt des Bikes zum Strassenbelag auch in Schräglage und bei
enorm hohen Geschwindigkeiten sicher. Noch vor 10 Jahren galt ein Hinterreifen
mit einer Breite von 140 Millimeter als gewaltige Dimension. Heute haben
Schlarpen von Ducati und Honda bereits ein Breite von 190 Millimeter, was auch
im Rennsport das obere Limit darstellt. Noch breitere Reifen stossen an eine
physikalische Grenze; die erforderliche Schräglage beim Kurvenfahren ist
schlicht nicht mehr zu realisieren. Bei gleicher Kurvengeschwindigkeit und
gleichem Kurvenradius muss ein Motorrad um so stärker abgewinkelt werden, je
breiter der Reifen ist. Dies kommt daher, dass sich der Reifenaufstandspunkt
immer weiter von der Fahrzeugmitte weg, hin zur Kurveninnenseite verschiebt.
Ein weiterer Nachteil von breiten Reifen ist das schwer zu kontrollierende
Fahrverhalten bei Unebenheiten im Strassenbelag. Schuld daran ist die weit nach
aussen gezogene Lauffläche des 190er Pneus, dieser baut beim Beschleunigen aus
einer Kurvenschräglage enormen Druck auf den äusseren Rand der Reifenfläche
auf. Der Vorderradreifen ist in der Regel nicht mehr als 120 Millimeter breit,
dies aus funktionalen Gründen. Breite Vorderreifen habe den Nachteil, dass sie
wegen ihres starken Aufstellmoments in Schräglage Mensch und Maschine an den
Kurvenrand drängen; das Bike wird schwer zu lenken. Ausserdem treten beim
Bremsen in Schräglage brutale Lenkmomente auf.
Verhalten bei Stürzen
Irgendwann erwischt es jeden!
Daher nachfolgend einige simple Tricks mit
grosser Wirkung:
Den Sturz nicht mit den Händen abfangen! Ziel ist es, mit einer möglichst
grossen Fläche des Körpers aufzuschlagen.
Beim "Highsider" stürzt man vorne über das Bike und dieses folgt
einem. Die Gefahr liegt darin, dass das Bike von hinten in den Fahrer
einschlägt. Tip: sich so schnell wie möglich aus
der Gefahrenzone bringen, wenn möglich seitlich wegrollen.
Beim "Lowsider" schlittert das Bike unter dem Fahrer weg und dieser
bleibt hinter dem Bike. Da der Fahrer mehr Reibungsfläche auf den Asphalt
bringt (Kunststoff und Metall des Bikes gleitet über den Belag) bleibt das Bike
in sicherer Entfernung vom Fahrer liegen. Tip: Arme über den Kopf, Füsse voraus
und den Hintern nach unten nehmen.
So schnell wie möglich weg von der Strasse und einen Moment sitzen bleiben. Das
ausgeschüttete Adrenalin verhindert, dass man sofort die Verletzungen erkennt,
daher
sich Zeit nehmen und den Körper gut untersuchen (auch Prellungen, Verbrennungen,
innere Verletzungen und Brüche werden häufig erst im Nachhinein von einem Artzt
erkannt).
Wenn möglich das Bike und dessen Teile von der Strasse räumen, evtl.
Unfallstelle markieren.
Richtig bremsen
Grundsätzlich
gilt: "Hinten blockiert - vorne dosiert". Der Lenker sollte immer
geradeaus in den Horizont sehen (damit das Hinterrad nicht ausbricht), in den
Hüften einknicken, die Ellbogen anziehen, den Lenker gerade halten und nach
vorne lehnen, um den Schwerpunkt nach vorne und nach unten zu bringen. Keine
Angst vor dem blockierenden Hinterrad, welches auszubrechen droht, denn mit ein
bisschen Gefühl im Allerwertesten gleicht man das locker aus. Die
Vorderradbremse ist aufgrund der Lastverteilung beim Bremsen die effektivere
Bremse - keinesfalls blockieren, denn dies hätte einen Salto vorwärts zur
Folge! Um die Hemmung vor einer Vollbremsung zu verlieren hilft nur ständiges
Üben bis an die Blockiergrenze des Vorderrades heran. Am Schluss sollte der
kombinierte Einsatz beider Bremsen geübt werden. Am besten sucht man sich dazu
einen übersichtlichen und verkehrsarmen Parkplatz, wo in Ruhe die verschiedenen
Bremsmanöver geübt werden können.
Kurven fahren
Das
Wichtigste beim Kurvenfahren ist die Blicktechnik. Wer mit engen Kurven oder
beim Wenden auf schmalen Strassen Probleme hat, schaut meist nicht weit genug
voraus. Das Motorrad wird instabil. Tip: Finger an der Kupplung, mit der
Fussbremse verzögern und den Blick nicht beim Vorderrad haften lassen, sondern
durch die Kurve mitführen. Schaut man weit voraus und kann die Kurve trotzdem
nicht eng fahren, ist die Geschwindigkeit zu hoch. Es gilt die Kupplung
einzusetzen und mit Schrittgeschwindigkeit zu fahren. Eine gute Übung hierfür
ist das Kreisfahren am Lenkanschlag auf einem Parkplatz. Belastet man die
kurveninnere Fussraste mit dem Körpergewicht, wird der Töff weiter in die Kurve
gedrückt, belastet man die kurvenäussere Fussraste, stellt sich der Töff wieder
auf und die Kurve wird weiter. Keine Angst vor Schräglage; ein
durchschnittlicher Lenker erreicht nur 60-70 Prozent der gefahrlos möglichen
Schräglage. Auch in kritischen Situationen den Blick auf der gewünschten Linie
lassen und nicht zum Strassengraben (dort will ich nicht hin!) schwenken.
Fahren mit Sozia/Sozius
Das
schönste Hobby der Welt sollte auf jeden Fall auch mit dem Partner oder
Freunden geteilt werden. Nur muss sich der Lenker der Maschine auch den daraus
resultierenden Konsequenzen bewusst sein; er trägt bei der Fahrt die
Verantwortung für die auf dem Soziussitz mitgenommene Person.
Daher empfiehlt es sich:
Die Maschine optimal vorzubereiten
- Unbedingt das im Fahrzeugausweis vorgegebene Gesamtgewicht mit Nutzlast
einhalten (ist relativ schnell erreicht, auch ohne Gepäck!)
- Der hintere Pneu sollte mit zusätzlichen 0.2 bar Luft gefüllt werden
- Federbasis und die Zugstufendämpfung sollten an die Zuladung angepasst werden
- Kontrollieren, ob die Scheinwerfereinstellung durch das zusätzliche Gewicht
verändert wird
Die Beifahrer vor der Fahrt zu instruieren
- Fahrer und Beifahrer bilden während der Fahrt eine Einheit
- Beifahrer rückt eng an den Fahrer und legt seine Hände um dessen Hüften
- Festhalten beim Beschleunigen
- Bei starkem Bremsen zusätzlich am Tank abstützen
- Bei Kurvenfahrt die Schräglage analog dem Fahrer einnehmen
- Ob bei einem Stopp am Lichtsignal oder im Stau: die Füsse des Beifahrers
bleiben solange auf den Fussrasten, bis der Fahrer das Zeichen zum
Absteigen gibt
- Evtl. Anschaffung einer Gegensprechanlage um unnötige Klopfzeichen beim
Fahrer zu vermeiden
Änderungen im gewohnten Fahrverhalten zu berücksichtigen
- Durch das zusätzliche Gewicht wird der Bremsweg länger und der Bremsdruck
ungewohnt stark
- Auf plötzliche Ausweichmanöver reagiert die Maschine durch die höhere Masse
träger als ohne Begleitung
- Es muss mit längeren Überholwegen gerechnet werden
Tunnel
Das
Unfallrisiko im Tunnel ist statistisch gesehen viel geringer als auf freier
Strecke. Trotzdem fahren die meisten Leute nicht gerne durch enge, dunkle und
laute Tunnels. Hinzu kommt die Ohnmacht des Fahrzeuglenkers im Falle eines
Unfalls, wie dies erst letztlich das Inferno im Gotthard wieder vor Augen
geführt hat.
Um sicher durch einen Tunnel zu kommen, sollten unbedingt folgende Punkte
beachtet werden:
- Sich auf die bevorstehende Tunnelfahrt mental
vorbereiten
- Vor dem Tunnel genügend Sprit im Tank haben
- Die Signalisation am Tunneleingang beachten und auch
einhalten (Überholverbot, Geschwindigkeit etc.)
- Genügend Sicherheitsabstand zum vorderen Fahrzeug
einhalten (Autos und Motorräder 50 Meter, Lastwagen 100
Meter)
- kontrollieren, ob das Licht eingeschaltet ist
- Sich an den Markierungen der rechten Fahrbahn orientieren
(nicht an der Mittellinie)
- Das Visier einen Spalt weit offen lassen (akustische
Wahrnehmung im Tunnel)
- Diszipliniert und ruhig den Tunnel durchfahren
Verkehrsregeln
Der andere Verkehrsteilnehmer sieht dich nicht!
Vor allem Autofahrer sehen Motorradfahrer häufig nicht. Daher sollte besonders
auf Autos auf und neben der Strasse (Vorsicht bei Parkmanövern von Autos und
den Personen, welche aus geparkten Autos aussteigen) achten. Speziell beim
Abbiegen und an Verzweigungen für den Autofahrer mitschauen und lieber einmal zu
viel den Vortritt geben.
Gesehen werden!
Niemals das Motorrad ohne Licht fahren, ausserdem einen auffälligen Helm und
gut sichtbare Kleidung tragen.
Die Geschwindigkeit der Situation anpassen!
Auf Strassenverhältnisse, Wetter und die Verkehrslage achten und die
Geschwindigkeit den Gegebenheiten anpassen.
Zeichen geben!
Kontrollieren ob Licht, Bremslicht und Blinker funktionieren und diese auch
gebrauchen, damit die anderen Verkehrsteilnehmer wissen, was man als nächstes
vorhat.
Genügend Abstand halten!
Der Biker fährt mit seiner Maschine grundsätzlich in der Mitte der Strasse
und nimmt die Position eines Autos ein. Abstand zum vorderen Fahrzeug bei
schlechtem oder nassem Belag vergrössern.
Überholen
Überholmanöver bei freier Strasse frühzeitig anzeigen (Blinker) und beginnen,
um ein allzu heftiges Wiedereinspuren zu vermeiden. Auch hier gilt: Situation
vorausschauend erfassen und keine unnötigen Risiken eingehen.
Take it easy!
Niemals von anderen Verkehrsteilnehmern provozieren lassen! Geniesst die schönen
Stunden auf dem Bike, es gibt sowieso schon viel zu wenige
Fahrphysik
http://www.actoid.com/motorrad/TechnikFahrphysik.htm
Die Fahrphysik von Zweirädern ist schwierig abzuhandeln. Die
Darstellung ist eine Gratwanderung zwischen nötigem Wissen und Verwirrung.
Fahrtechnik und Fahrphysik eines Motorrads beruhen auf Alltagsphysik, die es zu
verstehen gilt, will man die Phänomene rund um das Fahren mit dem Motorrad
verstehen.
Fahrstil
Das wichtigste Kennzeichen eins perfekten Fahrstils ist es, das
Motorrad locker aber konzentriert zu fahren.
Zwei Fehler die ich persönlich leider sehr häufig begehe
sind, dass ich mich auf dem Motorrad hin und wieder unbewusst verkrampfe, d.h.
den Lenker zu fest halte und dass ich mich oft nicht auf das Fahren mit dem
Motorrad selbst konzentriere. Da sind die Gedanken irgendwo, bei Tagesproblemen
oder schon bei anderen Freizeitaktivitäten. Deshalb nehme ich es mir immer
wieder vor: Locker bleiben. Konzentration auf das Fahren.
Der Lenker muss nicht heftig umklammert werden. Der Lenker
dient nur zum Lenken - also locker lassen und Kräfte sparen.
Wichtig ist auch Konzentration auf das Fahren. Die Bedienung
des Motorrads geht nach einiger Übung quasi automatisch. Fast so wie die
Steuerung von Herz und Lunge auch "unterbewusst" gesteuert wird.
Diese Motorik hat aber zur Folge, dass man sich dann auch nicht mehr so auf den
Straßenverlauf und mögliche Hindernisse konzentriert und das ist absolut
gefährlich. Beim Autofahren kann man in einer Gefahrensituation fast immer noch
das Lenkrad irgendwie herumreißen, beim Motorrad ist eine so schnelle
Richtungsänderung unmöglich oder zumindest sehr schwierig, die Kreiselkräfte
und die notwendige Schräglage in der Kurve verhindern das. Deshalb ist die
Konzentration auf das Motorradfahren das A und O.
Wer keine ordentliche Kombi aus Leder oder Textil mit
Protektoren und Stiefel anziehen will oder es sich nicht leisten kann, der
sollte das Motorradfahren lieber gleich lassen.
Ich habe die Angewohnheit, beim Fahren das Genital an den
Tank meiner Diva zu pressen, das dient ausschließlich der Gewichtsverlagerung
und dem Knieschluss, denn die Vibrationen reichen für eine Reizung kaum aus.
Gleichgewicht
Ein fahrendes Motorrad fällt nicht
um - normalerweise zumindest. Das ist relativ einfach zu erklären und auch zu
verstehen. Die Fahrstabilität eines Zweiradfahrzeuges beruht auf zwei
Prinzipien, erstens dem Prinzip Balance (bei geringen Geschwindigkeiten) und
zweitens dem Kreiselprinzip (bei höheren Geschwindigkeiten).
Solange eine senkrechte
Verbindungslinie vom Boden hinauf zum Schwerpunkt eines Körpers durch die
Auflagefläche des Körpers läuft, steht der Körper stabil und hat keine Neigung
umzukippen. Beim Mensch ist der Schwerpunkt etwas oberhalb des Bauchnabels und
die Auflagefläche ist die Fläche der Füße und die zwischen den Füßen.
Wenn wir uns zur Seite neigen,
verschiebt sich unser Schwerpunkt in diese Richtung. Sobald die
Verbindungslinie vom Boden zum Schwerpunkt nicht mehr durch die Auflagefläche
des Körpers läuft, kippen wir zu dieser Seite und fallen um.
So lange unser Motorrad also absolut
gerade steht (und absolut gleichmäßig bepackt) ist kann das Motorrad nicht
kippen. Wenn wir uns darauf setzen, so müssen wir durch Gewichtsverlagerung
(und Lenkbewegungen) dafür sorgen, dass der Gesamtschwerpunkt von Motorrad,
Gepäck und Mensch sich exakt oberhalb der Auflagefläche der Reifen befindet.
Bei der kleinen Auflagefläche ist das auf längere Zeit fast unmöglich, außer
für die Artisten unter uns.
Glücklicherweise helfen uns bei der
Stabilisierung des Motorrades aber die Kreiselkräfte sobald wir fahren, ab etwa
10 km/h verlässt die Maschine den Kenterbereich und die entsprechenden
Regelprozesse der Kreisel fangen zu wirken an. Diese Kreiselkräfte entstehen
durch die Drehung der Räder.
Wahrscheinlich hat jeder von uns als
Kind schon einmal mit einem Kreisel gespielt und dabei beobachtet, dass der
Kreisel stabil auf einem winzigen Auflagepunkt balancieren kann aber nur so
lange er genügend Drehung hat. Im Übrigen hat ein Kreisel die verwirrende
Eigenschaft, einem angreifenden Drehmoment senkrecht dazu auszuweichen, sofern
das möglich ist: der Brummkreisel präzediert, anstatt einfach umzufallen.
Der Drehimpuls ist proportional zum
Betrag der Winkelgeschwindigkeit. Ein angreifendes Drehmoment ruft deshalb
eine, bezogen auf den Drehimpuls selber, geringere relative Drehimpulsänderung
hervor, d.h. eine geringere Lenkbewegung. Oder anders herum: Wenn man das Rad
bei doppelter Geschwindigkeit um den gleichen Winkel einschlagen will, muss man
das doppelte Drehmoment aufbringen. Oder doppelt so lange drücken.
Beim Motorrad funktioniert das
genauso wie beim Kreisel: Weil wir nie absolut exakt balancieren (und damit
exakt über den Rädern sitzen) tendiert das Motorrad zum Kippen, denn die
Schwerkraft zieht das Motorrad am Schwerpunkt zum Boden. Die Kreiselkräfte aber
wirken der Lageänderung stets entgegen und halten das Rad in seiner Position
(senkrecht über dem Boden) und deshalb kippt das Motorrad während der Fahrt
nicht um.
Die drehenden Räder eines fahrenden
Motorrades wirken physikalisch als Kreisel, die das Bestreben haben, die
räumliche Lage ihrer Drehachse stabil beizubehalten. Ein ausreichend schnell
drehendes, freilaufendes Rad kann daher nicht umfallen.
Tritt eine Störung dieser stabilen
Lage auf, vollzieht das Rad ausweichende Bewegungen, die nicht in die Richtung
der Störung weisen: Diese Ausweichbewegungen sind Drehungen um eine Achse, die
senkrecht auf der Rotationsachse des Rades und senkrecht auf der Achse der
aufgezwungenen Drehbewegung steht. Dieses Phänomen nennt man Kreiselpräzession.
Für den Motorradfahrer
bedeutet das in der Praxis: Wenn der Lenker bei Geschwindigkeiten über ca. 25
km/h nach links eingeschlagen wird, neigt sich das drehende Vorderrad zusammen
mit dem gesamten Motorrad nach rechts. Diese Zusammenhänge gelten natürlich
auch umgekehrt: Wenn der Lenker nach rechts eingeschlagen wird, neigt sich das
Motorrad nach links.
Zum Verständnis dieser Zusammenhänge
wird in der Physik die so genannte "Rechte-Hand-Regel" genutzt.
Entsprechend der Darstellung werden Daumen, Zeigefinger und Mittelfinger der
rechten Hand so gespreizt, dass sie zueinander rechten Winkel bilden und die
drei räumlichen Achsen x, y und z aufspannen.
Dem Daumen entspricht dabei die
Störachse, die nach oben gerichtete z-Achse.
Dem Zeigefinger entspricht die Ausweichachse, die nach vorne gerichtete
x-Achse.
Dem Mittelfinger entspricht die Rotationsachse, nach links gerichtet gerichtete
y-Achse, das ist die bewirkte Drehung des Motorrades um die Längsachse in die
Schräglage.
Die Drehpfeile an den Achsen stellen
die angenommene Drehrichtung dar. Bei Umkehrung der Drehrichtung wird die Hand
so gedreht, dass der jeweilige Finger in die umgekehrte Richtung weist.
Der Daumen ist also die Lenkachse:
Wenn du dann die Handfläche mit dem Daumen als Drehachse (von unten gesehen)
nach RECHTS verdrehst (=Lenkerbewegung von oben gesehen nach links), dann zeigt
der Zeigefinger die Achse an, um die sich das Motorrad auch nach RECHTS 'dreht'
bzw. kippt.
Probier es einfach mit einem
ausgebautem Fahrradreifen aus (oder wenn du eine Kraftsau bist, mit deinem
Motorradreifen). Schnell rotieren lassen, und dann eine Lenkbewegung simulieren
und achten wohin sich der Reifen neigt. Dieses Ausweichen wird Präzession
genannt.
In Formeln ausgedrückt:
Mkx = J . wy . wz
Mkx …
Kreiselmoment in x-Achse
w … Winkelgeschwindigkeit in x-, y-, z-Achse
J = Integral(r²)dm … Trägheitsmoment (r²=Radius²)
m … Masse
r … Massen-Abstand der Drehachse
Wer sich die verschiedenen
Zusammenhänge mittels der "Recht-Hand-Regel" verdeutlicht, wird
feststellen, dass die durch einen Lenkimpuls eingeleitete Schräglagenänderung
ihrerseits dem Lenkimpuls entgegen wirkt. Störungen, die auf ein rotierendes
Rad einwirken, werden also bis zu einem gewissen Grad ausgeglichen.
Die Kreiselpräzession sorgt also dafür, dass sich das Motorrad,
das durch eine äußere Störung in leichte Schräglage gebracht wird, automatisch
wieder aufrichtet. Zwei Effekte tragen zur Aufrichtung der Maschine bei:
- Die Schräglage führt zu einer Kurvenfahrt. Die Fliehkräfte,
die durch die angedeutete Kurvenfahrt in Schräglage entsteht, richten das
Motorrad auf.
- Die
Reibungskraft am Vorderreifen greift durch die Schräglage nicht mehr mittig an,
sondern wandert mit dem Reifenaufstandspunkt zur Innenseite der angedeuteten
Kurven. Der Versatz der Vortriebskraft und der Reibungskraft erzeugen eine
Lenkerdrehung in die Kurvenrichtung. Das aber führt wie oben erläutert zu einer
Neigung in die der Schräglage entgegengesetzten Richtung.
Je schneller die Räder drehen, und
je größer ihre Trägheitsmomente sind, desto größer ist der Drehimpuls, der das
Fahrzeug stabilisiert. Ein Roller mit kleinen Rädern fährt sich daher etwas
nervöser, aber handlicher als ein Motorrad mit großen, schweren Rädern.
Die Fahrstabilität nimmt jedoch
nicht unbegrenzt mit der Geschwindigkeit zu. Bei hohen bis sehr hohen
Geschwindigkeiten nehmen Störeinflüsse auf die Fahrstabilität zu, was je nach
Fahrwerksauslegung, Wartungszustand, Fahrbahnbelag und Beladung zu
verschiedenen unangenehmen Schwingungserscheinungen führen kann (Flattern,
Lenkerschlagen und Pendeln).
So lange wir mit unserem Motorrad
schnell genug fahren sind die Kreiselkräfte stark genug, dass das Motorrad
nicht umfallen kann. Deshalb ist es auf einem fahrenden Motorrad möglich die
Hände vom Lenker zu nehmen oder sogar Turnübungen auszuführen (bitte beides
nicht ausprobieren). Das ist auch der Grund warum das Lenken (drehen des
Lenkers) bei niedriger Geschwindigkeit viel weniger Kraftaufwand erfordert als
bei hoher Geschwindigkeit.
Lenktechnik
Vorerst vermutet man, dass der Lenker auf der Innenseite der
Kurve nach unten gedrückt werden muss um das Motorrad in Schräglage zu bringen.
Das ist aber falsch. Gelenkt wird (außer bei Fahrt unter 10 km/h) indem der
Lenker beim Einfahren in die Kurve etwas entgegen der Fahrtrichtung bewegt
wird. Dadurch verschiebt sich die Auflagefläche des Vorderrades. Die
Verschiebung der Auflagefläche leitet einen Regelprozess ein, da der
Schwerpunkt nicht mehr exakt über der Auflagefläche liegt kippt das Motorrad
daraufhin zur Kurveninnenseite.
Gehen wir von einem Motorrad aus, das aufrecht geradeaus fährt.
Der Fahrer bzw. ein Störimpuls dreht nun den Lenker kurz ein bisschen nach
links. Aus dem Lenkimpuls resultiert eine Kreiselkraft namens Präzession, die
das Motorrad umlegt. Dieser Lenkimpuls bewirkt erst einmal, dass das Vorderrad
auch ein Stückchen nach links fährt, wobei das Bike selber aufgrund der
Massenträgheit geradeaus weiter schießt, d.h. das Vorderrad fährt quasi unter
dem Bike nach links weg, und das Bike befindet sich somit in einer leichten
Schräglage nach rechts. Jetzt kommt es zu einem Regelprozess: Das Vorderrad
schwenkt auch nach rechts. Da die Lenkachse nicht senkrecht ist, sondern deren
gedachte Verlängerung vor dem Radaufstandspunkt auf den Erdboden trifft, bzw.
das Rad um den Nachlauf hinter der Lenkachse herläuft, dreht sich das Rad bei
Schräglage in die Kurve hinein.
Jetzt gibt es zwei Möglichkeiten: Wenn der Fahrer nun
tatsächlich eine Rechtskurve fahren will, braucht er nur das Gegenlenken des
Vorderrades zu hemmen, so dass er noch mehr Schräglage bekommt, bis er eine
stabile Kurve fährt.
Unternimmt der Fahrer weiters nichts, richtet sich das Bike
durch das zu weit nach rechts eingeschlagene Rad wieder auf, und fährt
geradeaus weiter.
Dass der Fahrer beim Einleiten einer Rechtskurve den Lenker
leicht nach links drücken muss, sollte sich inzwischen ja herumgesprochen
haben. Auch wenn's manche nicht glauben wollen.
Durch die Selbststabilisierung neigt sich ein Rad, das nach
links gelenkt wird, auf Grund der Kreiselpräzession nach rechts. Wer diese
Lenkimpulstechnik - so wird dieser Trick mit dem Gegenlenken genannt - bei
Geschwindigkeiten über ca. 40 km/h ausprobiert, wird schnell feststellen, dass
sich je nach dem, wie abrupt der Lenker bewegt wird, das Motorrad mühelos und
schnell von einer Schräglage in die andere bringen lässt. Eine
Gewichtsverlagerung ist allenfalls zur Stabilisierung der Schräglage notwendig.
Die Erzeugung der Schräglage durch den Lenkimpuls wirkt
zunächst als Störung der Fahrstabilität. Deswegen wird sich beim Übergang zur
stabilen Kurvenfahrt der Lenker kurzzeitig und fast nicht spürbar in die
Kurvenrichtung drehen. Dadurch richtet sich die Maschine wieder leicht auf. Der
Fahrer hält deswegen, um die Schräglage sauber einzuhalten, den Lenker in der
entsprechenden Position fest oder korrigiert leicht die Neigung der Maschine.
Die Kurvenschräglage ist ein unter Motorradfahrern ewig
diskutiertes Thema, da sie auch als Gradmesser für die Kurvengeschwindigkeit
und die Verwegenheit des Fahrers herangezogen wird.
Die erforderliche Schräglage ist abhängig von
-
Kurvenradius
- Geschwindigkeit
- Schwerpunkthöhe und Reifenbreite
Sie ist unabhängig vom Gewicht der Maschine. Eine Maschine mit
niedrigem Schwerpunkt und breiten Reifen, wie z.B. ein Roller oder ein
Sportmotorrad, muss stärker geneigt werden als z.B. eine Enduro mit hohem
Schwerpunkt und schmalen Reifen (siehe auch Schwerpunktlage).
Die maximal mögliche Schräglage wird bei den meisten
Motorrädern mit entsprechenden Reifen durch aufsetzende Bauteile begrenzt, d.h.
die Reifen übertragen im allgemeinen bei stationärer Kurvenfahrt mit konstanter
Geschwindigkeit auf trockenem und griffigem Untergrund (Reibwert = 1)
Seitenkräfte, die höher sind als die maximal "fahrbare"
Zentrifugalkraft. Beim Aufsetzen von Bauteilen entstehen vielfach
Kräfteschwankungen an der Reifenaufstandsfläche, die die übertragbaren
Zentrifugalkräfte reduzieren.
Übersteigen die Zentrifugalkräfte die Seitenführungskräfte der
Reifen ist das nicht reguläre, tangentiale Verlassen der Kurve vorprogrammiert.
Dies bedeutet für die Fahrpraxis, dass bei aller Freude an der
Kurvenfahrt eine Schräglagenreserve für Kurskorrekturen in der Kurve
bereitgehalten werden sollten.
Durch zusätzliche Beladung sowie durch die Mitnahme eines
Beifahrers wird generell der Schwerpunkt angehoben, bei leichten Zweirädern
(Moped) stärker als bei schweren. Trotz der somit geringeren erforderlichen
Schräglage kann ein beladenes Zweirad eher aufsetzen, da es stärker einfedert
und die entsprechenden, aufsetzenden Anbauteile niedriger liegen.
Leichte Motorräder und solche mit niedriger Schwerpunkthöhe
sind einfacher zu schwenken. Entscheidend ist vor allem die Größe des
Massenträgheitsmoments um die Rollachse (Längsachse). Aber auch das
Massenträgheitsmoment um die Lenkachse hat deutlichen Einfluss auf die
Handlichkeit. Deshalb werden bei immer mehr Maschinen Armaturen, Spiegel usw.
rahmenfest montiert.
Eine untergeordnete Rolle spielt auch die Lage der drehenden
Kurbelwelle, die ebenso wie die Räder als Kreisel wirkt. Im Allgemeinen sind Maschinen
mit längs liegender Kurbelwelle bei sonst gleichen Bedingungen handlicher als
solche mit quer liegender.
Daher gilt: Lenker nach rechts, Auflagefläche wandert nach
rechts, Motorrad kippt nach links. Lenker nach links, Auflagefläche wandert
nach links, Motorrad kippt nach rechts.
Steiler Lenkkopf und kleiner Nachlauf bewirken ein
kurvenwilliges, handliches Motorrad mit labilem Geradeauslauf, eine ausgeprägte
Lenkgeometrie wie bei Choppern einen stabilen Geradeauslauf und
Kurvenunwilligkeit bzw. "kippeln", wenn die Fuhre tatsächlich mal in
Schräglage ist.
Gut sehen kann man dieses Verhalten beim Speedway, wo das
Vorderrad extrem aus der Kurve gedreht ist. Aber auch beim Schifahren gilt
dieses Lenken: Wenn man "richtig" fährt, wird für eine Rechtskurve
die Schulter nach Links gedreht und umgekehrt. Alles Andere würde nur unnötig
Kraft kosten.
Blicktechnik
Motorradfahrer und Blicktechnik sind ein unzertrennliches Paar.
Motorradfahrer müssen den Adlerblick haben. Der Blick muss in die Weite
führen, darf aber dabei das Detail nicht aus den Augen verlieren.
Beim Motorradfahren gilt allgemein der Blick steuert den Weg,
denn wo wir hinschauen fahren wir hin. Auch hier gilt die uralte Sportregel
"Der Kopf leitet die Bewegung der Körpers ein", daher muss man nur
das Kinn auf die Fahrlinie auflegen und schon folgen ihr Mann und Maschine.
Bei schwierigen Kurven ist die Blicktechnik ein Geheimrezept
zur einwandfreien Bewältigung und bringt Maschine auf die richtige Fahrlinie.
Wenn der Kopf dort hin schaut wo man hin will, folgen Maschine und Mann dann
wie von alleine. Das Erste ist die Zielansprache: "Dort will ich
hin!" Dann schaue ich so weit wie möglich in die Kurve hinein und siehe
da, das Motorrad fährt dann auch tatsächlich dorthin.
Ganz allgemein gilt, dass man mit dem Bike nur Punkte anfährt,
die der Fahrer mit seinem Auge fixiert. Daher darf man Hindernisse nicht
anfixieren, sondern die Strecke, die am Hindernis vorbei führt. Also auf einer
engen Straße nicht den entgegen kommenden LKW fixieren oder die Steinmauer
fixieren, sondern auf die geplante Fahrlinie blicken. Um die Richtige
Kopfhaltung zu erreichen, kann man auch das Kinn auf die Fahrlinie
"auflegen".
Geht der Blick zu wenig nach vorne dann gibt es folgende
Probleme:
Man
sieht nur einen kleinen Ausschnitt seiner Fahrstrecke. Richtungsänderungen und
Hindernisse werden daher später erkannt weil ja der Streckenabschnitt mit der
Richtungsänderung oder dem Hindernis erst später im Blickfeld erscheint. Man
hat wenig Strecke um auf diese Richtungsänderung zu reagieren und muss daher
sehrlangsam fahren oder sehr schnell reagieren. Man ist bei falscher
Blicktechnik generell unsicher, weil man ja nicht weiß wie der weitere
Streckenverlauf ist.
Wenn man sich zu stark auf die Strecke direkt vor sich konzentrieren,
dann geht automatisch der Kopf nach unten. Wir haben also gar nicht die
Möglichkeit die Natur, durch die wir fahren, zu genießen. Abhilfe ist der
Adlerblick.
Streckenführung Wenn man zu wenig vorausblickt, dann besteht
eine Kurve aus vielen kleinen Teilsegmenten weil man sich für jedes Segment
einen Punkt auf der Straße suchen muss, den man als Fixpunkt anfixiert und
seltsamerweise diesen Fixpunkt auch anfährt. Irgendwie fährt nämlich das
Motorrad immer dorthin wo der Blick es hinführt. Wenn man also lauter
Teilsegmente wählt gibt es bei jedem Segment eine Ecke an dem man sich dann
wieder den nächsten Fixpunkt suchen muss und die Strecke wird eckig und der
Fahrer nervös weil das Motorrad wackelt und nicht satt auf der Straße liegt.
Wenn man aber seinen Blick in die Weiten der Fahrbahn schweifen
lässt, wird der Weg weicher weil die Ecken fehlen und somit hat man ein
ruhigeres Fahrwerk und damit mehr Vertrauen zur Maschine.
Der Blick beim Fahren in der Gruppe sollte nicht auf den direkt
vor einem fahrenden Vordermann (Reifen oder Bremslicht) gerichtet sein, weil
der meistens zu dicht vor einem herfährt und den Blick auf die Strecke (und
auch die Verantwortung) nimmt. Sekundenabstand halten, leicht versetzt fahren
und Adlerblick nach vorne.
Kurventechnik
Die Angst vor der Kurve
Die
größte Angst vor der Kurve entsteht durch den Gedanken: Wenn ich so schnell
fahre, dann muss ich mich ja so weit in die Kurve legen und dann zieht es mir
bestimmt die Räder weg bzw. ich kippe um. In beiden Fällen würde ich dann
stürzen und was da alles passieren könnte. Meistens passiert aber gar nichts,
denn durchschnittliche Motorradfahrer nutzen die Sicherheitsreserven nie aus
und die Physik hilft uns (auch denjenigen, die mit Physik in der Schule nichts
anfangen konnten) wie wir nachfolgend sehen.
Schräglage
Die Kunst in der Schräglage ist es, den Lenker so weit zu
verdrehen, dass ein Gleichgewicht zwischen der Fliehkraft und der Schwerkraft
entsteht. Die Fliehkraft versucht in der Kurve das Motorrad nach außen zu
drücken während die Schwerkraft das Motorrad zur Kurveninnenseite kippen will.
Je weiter der Lenker gedreht wird desto mehr kippt das Motorrad und desto
schneller kann/muss die Kurve gefahren werden. Je schneller der Fahrer in der
Kurve ist, desto höher ist die Fliehkraft desto mehr Schräglage (und damit
Schwerkraft) muss entgegenwirken.
Wer
also Angst hat, dass das Motorrad kippt, der muss nur etwas mehr Gas geben und
die größer werdende Fliehkraft sorgt dafür, dass er nicht umkippt. Zu jeder
Geschwindigkeit gibt es also die passende Schräglage solange die Räder nur
genug Bodenhaftung haben.
Bodenhaftung
Damit uns bei der gewählten Schräglage die Reifen nicht
wegrutschen, ist ein gewisses Maß Bodenhaftung (Grip) notwendig. Der verfügbare
Grip hängt von vielen Faktorenab:
1. Zustand der Fahrbahn (neuer/alter Belag,
saubere/verschmutzte, ebene/unebene, trockene/nasse Oberfläche)
2. Qualität der Reifen
3. Temperatur der Reifen
4. Reifenbreite
5. Reifenprofil
6. Neureifen
7. Gewichtsverteilung auf dem Motorrad.
Zu 1. bis 3. muss an dieser Stelle nicht näher eingegangen
werden, weil es selbstverständlich sein dürfte, dass eine nasse und
verschmutzte Strasse weniger Grip bietet als eine saubere und trockene. Dass
Qualtitätsreifen besser sind als Noname-Billigprodukte aus dem Baumarkt ist
wohl auch klar. Ebenfalls, dass Reifen erst mal auf Betriebstemperatur gebracht
werden müssen.
Zu 4.
Je breiter ein Reifen ist, desto größer ist seine Auflagefläche und damit der
Grip.
Zu 5. Je glatter der Reifen ist, desto größer ist seine Auflagefläche und damit
der Grip.
Zu 6. Achtung bei Neureifen! Diese haben ab Werk eine Schutzschicht, die den
Reifen vor Alterung schützen sollen. Leider ist die Schutzschicht sehr
rutschig. So mancher Motorradfahrer hat sein Motorrad schon an der Ausfahrt vom
Reifenhändler abgelegt.
Zu 7. Je höher das Gewicht ist, das der einzelne Reifen tragen muss, desto
höher sind die Fliehkräfte, die auf den Reifen wirken. Ziel muss es also sein
das Gewicht auf alle Reifen möglichst gleich zu verteilen bzw. etwas mehr
Gewicht nach hinten zu verlagern weil dort der breitere Reifen montiert ist.
Gewichtsverteilung
Die Motorräder sind so konstruiert, dass das Gewicht des
Motorrades mit Fahrer zu mehr als 50% auf dem Vorderrad lastet. Die Last
erzeugen Motor, Getriebe und der Fahrer, der sich nach vorne gebeugt und am
Lenker abstützt.
Im Grenzbereich der Schräglage ist die Tendenz zum Ausbrechen
(Wegrutschen) beim Vorderreifen größer, denn:
*der Vorderreifen muss mehr Gewicht tragen als der Hinterreifen und
*der Reifen am Hinterrad ist breiter, damit ist die Auflagefläche größer und
deshalb der Grip am Hinterrad besser.
Das Gewicht muss also dynamisch so umverteilt werden, dass auf
dem Hinterrad etwas mehr Gewicht liegt als auf dem Vorderrad.
Dabei
kommt dem Motorradfahrer die Hilfe von der Physik: Jede Masse hat eine gewisse
Trägheit. Hier meine ich nicht meine Wampe sondern wenn wir mit unserem
Motorrad beschleunigen, dann geht das Motorrad vorne etwas hoch und der
Schwerpunkt wandert nach hinten. Jeder hat den Wheely schon als Extremfall
gesehen, wenn man zu viel Gas gibt hat das Vorderrad keinen Bodenkontakt mehr
und die Maschine hebt vorne ab.
In der Fahrpraxis bedeutet das: Wenn man in der Kurve etwas
beschleunigt (nicht zu viel und nicht zu wenig), dann wandert der Schwerpunkt
leicht nach hinten wodurch beide Reifen gleich viel Haftung erhalten.
Ideal ist es vor der Kurve so langsam zu werden, dass man vom
Anfang der Kurve bis zu deren Ende mit etwas Beschleunigung fahren kann.
Es ist unbedingt zu vermeiden in der Kurve plötzlich vom Gas
gehen oder sogar zu bremsen. Denn wer weiter oben aufgepasst hat, der weiß,
dass dann die Fliehkräfte plötzlich nachlassen und dann die Schwerkraft (die
uns ja nach innen zieht) keinen Gegenpartmehr hat: das Motorrad wird instabil
und wackelt.
Oft passiert, dass eine unübersichtliche Kurve vom Radius her
plötzlich enger wird, vor lauter Schrecken hängt man sich voll in die Bremse,
das Vorderrad blockiert und ein mobiler Organspender mehr. Besser ist es in
dieser kritischen Situation mehr Schräglage zu wählen. Das Umlegen der Maschine
kostet zwar Überwindung ist aber meist möglich. Alternativ kann man die
Maschine auch nach unten drücken und selber in der aktuellen Sitzposition
verweilen (siehe Drücken). Zur Not leicht bremsen aber wirklich nur zur Not.
Ansonsten sollte eher ein "Notausgang" (Ausritt ins Gelände) gesucht
werden.
Zusammenfassung zum Fahren in der Kurve:
* Die Fliehkraft sorgt dafür, dass wir nicht umkippen.
* Die Geschwindigkeit vor der Kurve anpassen.
* In der Kurve konstant beschleunigen damit die Gewichtsverteilung stimmt.
Sitzpositionen während der Kurvenfahrt
Prinzipiell gibt es 4 Arten durch eine Kurve zu fahren:
1. Normale Position (Körper und Maschine bilden eine Linie)
2. Legen (der Fahrer ist stärker zum Boden geneigt als das Motorrad)
3. Drücken (das Motorrad ist stärker zum Boden geneigt als der Fahrer)
4. Hang off (der Fahrer hängt neben der Maschine)
Die normale Position bei der Kurvenfahrt ist: Körper und
Maschine bilden eine Linie.
Beim Legen ist der Fahrer stärker zum Boden geneigt als das
Motorrad. Das wird meist von Fahranfängern praktiziert weil sie es nicht
schaffen (oder sich nicht trauen) das Bike selbst in die gleiche Schräglage zu
bringen. Durch die Körperverlagerung wandert der Schwerpunkt des Fahrers zur
Kurveninnenseite und wirkt somit der Schwerkraft entgegen. Besser wäre es
jedoch das Motorrad auch in die gleiche Schräglage wie den Oberkörper zu
bringen.
Beim Drücken ist das Motorrad ist stärker zum Boden geneigt als
der Fahrer. Drücken wird oft von Endurofahrern praktiziert. Es hat nämlich den
Vorteil, dass das Gewicht mehr senkrecht zur Straße und nicht seitlich zur
Straße drückt. Die Reifen haften also etwas besser und das hilft den
Endurofahrern mit ihren Stollenreifen, die durch das Stollenprofil eine kleine
Auflagefläche (und damit weniger Grip) haben. Drücken ist auch dann angebracht,
wenn man merkt, dass man zu schnell für die Kurve ist und man sich nicht weiter
in die Kurve reinlegen möchte. Dann drückt man das Motorrad einfach etwas nach
unten, das hilft.
Beim "Hang off" hängt der Fahrer neben der Maschine.
Dadurch verschiebt sich der Schwerpunkt sehr stark zur Kurveninnenseite.
Vorteil: Das Motorrad muss nicht so weit in Schräglage gebracht werden weil
sich der Fahrer hinaushängt. Dadurch kann die Kurve mit wesentlich größerer
Geschwindigkeit gefahren werden. Nachteil: Muss die geplante Fahrlinie spontan
geändert werden, muss sich der Fahrer sehr schnell von der einen Seite vom
Motorrad zur anderen hängen. Das kostet Zeit und ist im normalen Straßenverkehr
weniger angebracht. Für Rennstrecken jedoch kann das echt super sein.
Kurvenverlauf
Es gibt (theoretisch) mehrere Arten durch die Kurve zu
fahren:
* von außen nach innen
* von innen nach außen
* innen bleiben
* außen bleiben
* schneiden
Kurven schneiden ist erstens nicht erlaubt (wo kein Kläger da
kein Richter) und zweitens (was noch wichtiger ist) macht es keinen Spaß. In
hügeliges Gelände oder in die Berge fahren um durch möglichst viele Kurven zu
gondeln und diese dann einfach schneiden? Dann kannst man auch auslassen und
lieber auf der Dosenbahn rasen.
Letztendlich ist es so, dass ein möglichst großer Kurvenradius
die wenigste Schräglage erfordert und damit am sichersten ist. Deshalb versucht
man die Kurven möglichst weit außen anzufahren um dann innerhalb meiner
Fahrspur (!) möglichst weit außen zu verweilen. Übrigens: je schneller man
lenkt, desto schneller geht das Motorrad in Schräglage. Das bedeutet, dass man
sich insgesamt nicht ganz so weit reinlegen muss oder anders herum mehr Dampf
machen kann.
Jede Kurvendurchfahrt muss geplant werden, Kurveneingangspunkt
und Kurvenausgangspunkt festlegen und eine kontinuierliche Kurvenfahrt
dazwischen.
Gefährlich ist es, die Maschine am Kurvenbeginn leicht
umzulegen, weil eine erhöhte Schräglage wirklich zu riskant wäre, um dann nach
einem kleinen Bogen in der Kurve möglichst gerade weiter zu fahren. Geradeaus
ist ja nicht so gefährlich wie Schräglage. An irgendeinem Punkt merkt man dann,
dass die Kurve so nicht zuschaffen und die Straße am Ende der Kurve nicht breit
genug ist. So entschließt man sich (in leichter Panik) die Maschine doch wieder
umzulegen. Jetzt muss die Schräglage nur viel stärker werden, als wenn diese
von Anfang an beibehalten worden wäre. Dadurch steigt der Adrenalinpegel so
richtig schön. Das wiederholte in die Schräglage legen und wieder Aufrichten
(jeweils bei den Panikpunkten) bringen außerdem viel Unruhe in das Fahrwerk und
beschäftigen den Fahrer sosehr, dass er nicht gerade Selbstvertrauen gewinnt.
Das führt dazu, dass die nächste Kurve noch zögerlicher angefahren wird, weil
diese ja schon so gefährlich war, bis irgendwann das Motorrad um die Kurve
getragen wird.
Instabilitäten
Die Fahrphysik der Instabilitäten beim Motorrad betreffen das
Lenkerflattern, das Pendeln, die Kurvenfahrt, das Lenkerschlagen, Rollsplitt
und anderer Dreck auf der Fahrbahn.
Lenkerflattern
Beim Lenkerflattern oder einfach Flattern (auch
"shimmy" oder "wobble") beginnt das Lenksystem, also Gabel,
Vorderrad und Lenker, um die Lenkkopfachse zu schwingen. Die Schwingfrequenz
beträgt sieben bis zehn Vollausschläge pro Sekunde. Die flatterkritische
Geschwindigkeit liegt zwischen 40 bis 80 km/h. Im Allgemeinen regen Störungen
kontinuierlich oder nur einmalig das Lenksystem in dessen Eigenfrequenz an. Die
Dämpfung des Schwingungssystems ist dann minimal.
Die Ursachen für dieses Lenkerflattern können sehr vielfältig
sein. Sie reichen von Radunwucht über ein ungenau eingestelltes Lenkkopflager
(meist zu großes Lagerspiel) bis zu einer verspannten Vorderradgabel.
Beste Abhilfe bei akutem Lenkerflattern ist das bewusste
Anpacken der Lenkerenden und eine Änderung der Geschwindigkeit.
Bei ausgeprägter Flatterneigung des Motorrads hilft häufig ein
genaues Auswuchten des Vorderrads bzw. eine genaue Prüfung und Einstellung von
Lenkkopflager und Gabel. Notfalls muss der Reifen gewechselt werden. Kalte
Reifen, falscher Reifendruck sowie Hecklastigkeit des Motorrads (Topcase,
Packtaschen) unterstützen ebenfalls die Flatterneigung.
Die
Cagiva Mito hat zum Beispiel einen Lenkungsdämpfer, bei dem das Lenkerflattern
fast ganz ausgeschaltet wird. Aber der Dämpfer kann die Ursache des
Lenkerflatterns natürlich nicht beseitigen.
Lenkerschlagen
Lenkerschlagen (auch "kick back") ist aktuell ins
Bewusstsein vor allem von Fahrern sportlicher Straßenmaschinen geraten. Ursache
dafür ist das häufige, intensive Auftreten des Lenkerschlagens überwiegend bei
leichten, stark motorisierten Sportlern.
Beim starken Beschleunigen vor allem auf und über
Bodenunebenheiten - aber auch beim starken Beschleunigen aus engen Kurven -
wird das Vorderrad durch das hohe Drehmoment, das der Motor abgibt, mehr oder
minder stark entlastet. Vielfach hebt das Vorderrad ab.
Beim Wiederbelasten des Vorderrades geschieht dies meist nicht
in der Reifenmitte und nicht mit geradestehendem Lenker. Durch den plötzlichen,
außermittigen Angriff der Reibungskräfte am Reifen wird die schräg stehende
Lenkung schlagartig gedreht (häufig ein bis zwei vollständige Ausschläge bis zu
den Lenkeranschlägen). Die dabei auftretenden Kräfte können je nach
Lenkerbreite vom Fahrer nicht mehr abgefangen werden, zumal diese Erscheinung
vielfach unerwartet auftritt.
Beeinflusst wird die Intensität des Lenkerschlagens und
Anfälligkeit für die Erscheinung von folgenden Faktoren:
- stärke des Lenkereinschlages beim Wiederaufsetzen des
Vorderrades
- Fahrzeuggewicht, Gewichtsverteilung zwischen Vorderrad und
Hinterrad, Verhältnis zwischen Gewicht und Leistung.
- Reifenbreite: Je breiter der Reifen, umso länger ist der
Hebelarm, über den die Reibungskräfte wirken können.
- Reifenaufbau
- Massenträgheitsmoment der Lenkung um die Lenkachse: Je höher
dieses Trägheitsmoment ist, um so schwerer ist der Lenkerausschlag
kontrollierbar.
- stabilisierende Kreiselkräfte: sind diese gering, ist das
Kreiselsystem des Vorderrades anfälliger für Störungen
Abgesehen von zurückhaltender Fahrweise auf entsprechendem
Untergrund kann ein optimal abgestimmter Lenkungsdämpfer die vehementen
Auswirkungen auf die Lenkung dämpfen.
Pendeln
Gefährlicher als das Flattern ist das Pendeln (auch
"weave"). Es tritt erst oberhalb von 120 km/h und speziell im
Hochgeschwindigkeitsbereich auf.
Pendeln stellt eine sehr komplexe, gekoppelte Schwingungsform
dar, bei der Motorrad-Vorderbau (gesamtes Lenkersystem) und der -Hinterbau
(übrige Rahmenteile) wegen geringer Dämpfung in Resonanzschwingungen geraten.
Das Motorrad vollzieht beim Pendeln Schräglagenwechsel,
Lenkschwingungen und Querversatzbewegungen (Gierbewegungen) über der Fahrbahn.
Die Pendelbewegungen laufen mit drei bis vier Schwingungen pro Sekunde ab. Das
ist zu schnell für ein bewusstes Gegenlenken. Einzig sinnvolle Gegenmaßnahme
ist eine sofortige Verminderung der Geschwindigkeit, keinesfalls aber ein
weiteres Beschleunigen.
Die akuten Auslöser für die Pendelerscheinungen sind sehr
vielfältig. Aus diesem Grund und wegen der Gefahr, die von dieser Erscheinung
unmittelbar ausgeht, müssen die technischen Ursachen möglichst präzise geklärt
und beseitigt werden.
Dies wird umso schwieriger, je anfälliger das Motorradfahrwerk
auf Pendelerscheinungen reagiert. Moderne Motorradfahrwerke werden in jüngerer
Zeit vermehrt resistent gegen die Pendelneigung ausgelegt. Deswegen ist vor
allem bei älteren Motorrädern mit technischen Mängeln (z.B. abgenutzte
Fahrwerklager) mit Pendelerscheinungen zu rechnen.
Ursachen dafür können neben Wartungsmängeln (Reifen, Lenkung,
Rad- und Schwingenlager, Stoßdämpfer) auch falsche Beladung und falscher
Reifenluftdruck sein. Positiven Einfluss auf die Pendelstabilität haben
außerdem geringe Massen um die Lenkachse.
Nachstehend
einige Tipps zur Vermeidung des Pendelns.
Reifen:
- nur vom Hersteller empfohlene Reifenpaarungen verwenden
- auf richtigen Luftdruck achten
- Restprofiltiefe mindestens 2 mm
- Seiten- und Höhenschlag der Reifen kontrollieren, bzw. beseitigen
Fahrwerk:
- Lenkkopflager auf Spiel oder Schwergängigkeit prüfen
- Schwingen- und Radlager auf Spiel prüfen
- Radspur (besonders nach dem Spannen der Kette) kontrollieren
- Federbeine entsprechend der Zuladung einstellen (Federspannung/
Zugstufendämpfung)
- Lenkungsdämpfer auf schwächste Stufe einstellen (bzw. demontieren)
- keine lenkerfeste Verkleidung anbauen
- Stoßdämpfer auf Undichtigkeit überprüfen
Fahrer:
- Füße nicht auf Soziusrasten stellen
- Tank- und Fahrerrucksack benutzen anstelle von Topcase oder Packtaschen
- nicht über Fahrbahnmarkierungen, Längsfräsungen, Dehnfugen und ähnliche
Fahrbahnunebenheiten fahren, bzw. Geschwindigkeit verringern
- Lenker locker fassen, abrupte Lenkbewegungen vermeiden
- mit Hinterradbremse verzögern.
- Beifahrer verringert die Pendelneigung
Rollsplitt und anderer Dreck
Wenn in der Kurve Rollsplitt oder sonstiger Dreck liegt,
erzeugt das meist einen kurzen aber kräftigen Adrenalinschub. Was passiert: Die
Bodenhaftung lässt nach und das Rad rutscht nach außen wodurch der Fahrer zur
Straßeninnenseite kippt.
Handelt es sich um begrenzte Flächen, gewinnt man wenn man hier
kühlen Kopf behält und nicht bremst. Denn Normalfahrer haben üblicherweise so
viel Sicherheits-Reserve, dass ein Sturz wenig wahrscheinlicht ist und außerdem
helfen uns die Fliehkräfte, dass wir nicht komplett wegkippen.
Bei
großen und/oder tiefe Flächen gibt es nur folgende Möglichkeit: Maschine
aufrichten, dann Vollbremsung, anschließend etwas Schräglage und hoffen dass
das es reicht. Sonst Ausritt ins Gelände.
Anfahren
Verbrennungsmotoren geben bei der Drehzahl Null auch Null
Moment ab. Dieser Nachteil hat zur Folge, dass man als erstes in der Fahrschule
lernen muss mittels Kupplung den schwierigen Übergang zwischen Ruhe und Bewegung
möglichst harmonisch zu vollziehen. Anders bei Elektromotoren und
Dampfmaschinen, die in der Lage sind aus dem Stand heraus gigantische Momente
zu entwickeln.
Beim Anfahren und bei Schrittgeschwindigkeit rollt das Motorrad
anfangs nur. Die Kreiselkräfte der Räder sind noch nicht so groß, dass das
Motorrad sich selbst stabilisiert. Deshalb muss ordentlich Gas beim Anfahren
schon sein um möglichst schnell in den stabilen Fahrbetrieb zu gelangen.
Bei Schrittgeschwindigkeit (also auch beim Anfahren) wird
übrigens auch anders gelenkt als beim normalen Fahren: Die Lenkung funktioniert
beim langsamen Rollen wie beim Auto: Lenker nach links, Motorrad rollt nach
links. Lenker nach rechts, Motorrad rollt nach rechts.
Später genügt dann Eigen-Stabilisierung bei höherer
Geschwindigkeit durch die Kreiselkräfte. Je niedriger die Geschwindigkeit,
desto niedriger die Kreiselkräfte, desto weniger Eigenstabilisierung, desto
mehr muss der Fahrer die Maschine in der Senkrechten halten, mit mehr oder
weniger großen bewussten Lenkmanövern, immer in die Richtung, in die das Bike
umzukippen droht. Sobald die Kreiselkräfte hoch genug sind, braucht es
höchstens noch winzig kleine, unwillkürliche Lenkbewegungen.
Bremsen
Beim Bremsen verschiebt sich der Schwerpunkt aufgrund der
Massenträgheit nach vorne: Aus diesem Grund wird die Bremsleistung der
Vorderradbremse viel größer als die der Hinterradbremse.
Wenn das Hinterrad blockiert fängt die Maschine zu tanzen an.
Sie bricht nämlich zu einer Seite aus. Wenn man die Bremse los lässt, dann
fängt sich das Motorrad wieder und alles wird wieder gut.
Ein blockierendes Vorderrad ist hingegen fast gleichbedeutend
mit Sturz. Dies gilt umso mehr wenn man in Schräglage ist. Wenn das Vorderrad
blockiert also unbedingt sofort wieder nachgeben.
Wenn in der Kurve mit dem Vorderrad gebremst wird, drückt die
Masse des Motorrads aufgrund der Trägheit gegen die Gabel und das Motorrad
stellt sich auf. Wenn in einer Kurve unbedingt gebremst werden muss (etwa in
einer Serpentine bergab) dann sollte man dafür besser die Hinterradbremse
verwenden.
Schlussfolgerung für das Bremsen: Ziel ist möglichst beide
Bremsen so schnell und so stark wie möglich bis nahe an die Blockiergrenze zu
betätigen um möglichst wenig potentiellen Bremsweg zu verschenken. Die Bremsen
sollte dabei nie ruckartig betätigt werden sonst neigen sie eher zum
Blockieren. Keinesfalls erst mal nur lasch bremsen um zu sehen ob es reicht und
gegebenenfalls dann doch stärker bremsen. Dann verschenkt man wertvolle Meter.
Sollte man Probleme mit der Hinterradbremse haben weil sie zu leicht blockiert,
dann sollte man sie lieber weglassen und nur die Vorderradbremse verwenden.
Wenn in einer Kurve unbedingt gebremst werden muss dann ist dafür besser die
Hinterradbremse zu verwenden.
Beim motorisierten
Zweirad ist es von entscheidender Bedeutung sich mit der Fahrphysik
eingehender auseinander zu setzen, da sie bestimmte Fahrverhalten erforderlich
macht.
(Alles hier genannte
kann nur eine allgemeine Richtlinie sein, letztlich reagiert jedes Motorrad
etwas anders und eingehende (vorsichtige) Tests am Objekt der Begierde sind
immer sinnvoll, bevor man sich auf einem noch unbekannnten Motorrad in
Grenzbereiche vorwagt).
Ein Zweirad besitzt
auch im Fahrbetrieb grundätzlich nur ein labiles Gleichgewicht, das
durch mannigfache Fremdeinflüsse gestört werden und dadurch ursächlich oder
zumindest indirekt beeinflusst zusammenbrechen kann. Die daraus hervorgehenden
Schäden an Mensch und Maschine können erheblich sein, auch dann, wenn der Sturz
nur bei relativ geringen Geschwindigkeiten stattfindet.
Fahrstabilität
Dass ein Zweirad
überhaupt sicher und spurstabil bewegt werden kann, verdankt es den Kreiselkräften der Räder, die sich mit zunehmender
Geschwindigkeit aufbauen und ab etwa 20-30 km/h wirksam einsetzen. Darunter
erfordert es vom Fahrer einen "Balanceakt", will er nicht samt der
Maschine umkippen.
Richtungswechsel
Den Kreiselkräften ist
das geschwindigkeitsabhängig unterschiedliche Lenkverhalten geschuldet. Bevor
sie stabilisierend wirken (unterhalb 20 km/h), dreht man das Vorderrad beim
Richtungswechsel mit der Lenkstange in die gewünschte Richtung. Nachdem sie
jedoch stabilisierend zu wirken beginnen, wird es zunehmend unmöglich überhaupt
noch so zu lenken, das Kraftrad wird beim Versuch unweigerlich gefährliche
Pendelbewegungen auszuführen beginnen. Richtungsänderungen sind nun nur noch
durch den Lenkimpuls und die Einleitung einer Schräglage möglich.
Wer Erfahrungen mit
unmotorisierten Zweirädern hat, macht dies unterbewusst richtig, ist in aller
Regel dennoch überrascht, wenn er sich bewusst vergegenwärtigt, dass er dabei
eigentlich in die entgegengesetzte Richtung lenkt.
Kurvenfahrt
Es ist nur ein
geringer Impuls notwendig - ein Drücken am kurveninneren oder ein Ziehen am
kurvenäusseren Lenkerende, um die Schräglage einzuleiten. Das Motorrad beginnt
in die Kurve zu kippen, verlagert seinen Schwerpunkt zur
Kurveninnenseite und wird durch die Zentrifugalkraft in Verbindung mit den
Seitenführungskräften der Reifen ("Grip" vgl. Haftgrenze und Kammscher Kreis) in einer stabilen Schräglage
gehalten.
Dieses komplexe
Zusammenspiel verschiedener Faktoren ist in der Theorie schon faszinierend und
macht in der Praxis einen Großteil der Faszination des Motorradfahrens aus,
auch wenn es in der aktiven Fahrt gänzlich anders erlebt wird, die ganze
Konzentration fordert und keinerlei Zeit bleibt sich theoretischen Gedanken
hinzugeben.
Der Anfänger wird das
Kraftrad eher kraftlos durch die Kurve rollen lassen, sobald er sich jedoch ein
Gefühlfür Kuvenzustände antrainiert hat, wird er merken, dass Bremsen,
Schalten und Gasgeben auch in der Kurve möglich ist. In der stabilen Kurvenlage
führt sanftes Mitbremsen oder Gaswegnahme dazu, dass sich das Kraftrad weiter
schräg legt, kräftigeres Bremsen vorne bzw. abruptes Schließen des Gashahns
führt dagegen zu einem Aufstellmoment am Vorderrad, kräftiges Bremsen zum
Verlust des Grips (vgl. Lowsider).
Herunterschalten
erfordert Gefühl und Zwischengas, da das Hinterrad ansonsten evtl. stempelt.
Wird in der stabilen Kurvenlage die Geschwindigkeit erhöht, beginnt sich das
Kraftrad aufgrund der zunehmenden Zentrifugalkraft aufzurichten, sodass zum
Kurvenausgang hin aus der Kurve herausbeschleunigt werden kann.
Übermässiges Gasaufziehen in Schräglage führt jedoch zum Ausbrechen des
Kraftrads (vgl. Lowsider).
Jeder Lowsider trägt
den Highsider in sich, da es möglich ist, dass die Reifen des
ausbrechenden Kraftrades statt gänzlich wegzurutschen, plötzlich wieder Grip
aufbauen, was zu einem schlagartigen Aufrichten des Fahrzeuges führt und meist
in einem Überschlag endet. Bei einem Sturz ist der Lowsider in aller Regel
vorzuziehen, da das Kraftrad dabei vor dem Fahrer wegrutscht, statt nach einem
Überschlag auf ihn zu fallen oder sich über ihn zu schieben. Wird ein Lowsider
unvermeidlich, ist es daher sinnvoller das Motorrad geordnet abzulegen
statt krampfhaft gegen das Wegrutschen anzukämpfen.
Vorbereitung einer Kurve
Jede Kurve besitzt
eine spezifische maximale Kurvenhöchstgeschwindigkeit, die sich letztlich aus
dem gegebenen Radius und dem Untergrund bzw. der Bereifung (vgl. Haftgrenze), sowie Nebeneinflüssen wie Qualität des
Fahrwerk zwingend ergibt. Individuelle Abstriche am eingesetzten Material und
beständig variierende Haftgrenzen durch sich verändernde
Untergrundbeschaffenheit, lassen natürlich allenfalls eine optimale
Kurvengeschwindigkeit erreichen und selbst diese ist im öffentlichen
Straßenverkehrs meist noch zu hoch. ;o)
Da aber nicht
ausgeschöpfte Geschwindigkeitsreserven zwangsläufig Sicherheitsreserven
bedeuten, ist es wichtig ein paar Grundregeln zu beherzigen, denn von
Sicherheitsreserven kann man nie wirklich zuviel besitzen.
Bei gegebenem
Kurvenradius ist im Straßenverkehr (Fahrseite beachten!) jeweils die
Rechtskurve die langsamere, da sie einen kleineren Spurradius als die
Linkskurve besitzt. Um eine Kurve voll auszureizen, fährt man sie weit außen an
(man sollte sich aber angewöhnen grundätzlich nur auf der eigenen Fahrspur zu
bleiben) und setzt einen möglichst späten Einlenkpunkt,
damit weitet man den Spurradius, schneidet quasi einen Teil der Kurvenenge ab
und verkürzt so den Schräglage erfordernden Kurvenabschnitt deutlich. Ein
späterer Einlenkpunkt ermöglicht einen späteren Bremspunkt, man
bleibt also nicht nur länger schnell, sondern kann die ganze Kurve etwas
schneller fahren, als bei einem engeren Radius. Weil sich Kurven unter Zug,
d.h. mit angelegtem Gas (vgl. Stützgas) sicherer fahren
lassen, als wenn das Motorrad untertourig hindurchdümpelt, ist es in engen
Kurven immer sinnvoll zurück zu schalten, auch dann, wenn es mit dem aktuellen
Gang grade so gehen würde. Mit einem richtig gewählten Gang kann man durch
einen winzigen Gasstoß das Motorrad etwas aufrichten, sollte es erforderklich
sein und außerdem lässt sich im richtigen Gang viel kraftvoller aus der Kurve
herausbeschleunigen. Man ist also auch früher wieder schnell.
Nochmals, es geht
nicht um die schiere Geschwindigkeit, denn nicht ausgeschöpfte
Geschwindigkeitsreserven sind Sicherheitsreserven (vgl. Kammscher Kreis).
Neben der reinen
Fahrphysik, kommt es für eine gelungene Kurve mindestens ebenso auf die Blickführung an, die an dieser Stelle wenigstens kurz
erwähnt werden soll, weil sie immens wichtig ist.
Bremsen
Wird in Geradeausfahrt
(not-)gebremst, verlagert sich das Fahrzeuggewicht auf die Vorderachse,
entlastet die Hinterachse und führt im Extremfall zum Abheben des Hinterrades
(vgl. Stoppie) und darüberhinaus bis zum Überschlag. Beifahrer
und/oder (schweres) Gepäck im Koffersystem vermindern diesen Effekt, heben ihn
jedoch nicht gänzlich auf. Diese dynamische Radlastverteilung macht die
Hinterradbremse für Notbremsungen bis zum Stillstand ungeeignet und es wird
allgemein empfohlen sich in solchen Fällen besser auf die Vorderradbremse zu
beschränken oder zumindest zu konzentrieren.
Praxistests haben
gezeigt, dass der kürzeste Bremsweg erreicht wird, wenn sich der Motorradfahrer
bei einer Gefahrbremsung ausschließlich auf die Vorderradbremse konzentriert
und die Bremskraft dieser optimal anwendet. Die Theorie besagt, dass zu Anfang
einer Gefahrbremsung die Hinterradbremse voll mit genutzt werden soll und im
weiteren Verlauf des Bremsvorgangs die Hinterradbremse immer weiter gelöst
wird. Praktisch ist dies jedoch so schwer umzusetzen, dass in der Regel ein
kürzer Bremsweg erreicht wird, wenn sich der Fahrer voll auf die optimale
Bremsung mit der Vorderradbremse konzentriert.
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